Rathaus
Altes Rathaus von Neudorf
-Ein Überblick-
Erbaut wurde das Rathaus 1840.
Zu dieser Zeit (1814 – 1866) gehörte das Amt Orb mit Aufenau, Kinzighausen und Neudorf zum Königreich Bayern.
In dem Gebäude hatte die Gemeindeverwaltung bis 1969 ihren Sitz.
Bis zur Eingemeindung nach Wächtersbach -im Jahr 1971- befand sich dieser Sitz anschließend im neuerbauten Dorfgemeinschaftshaus.
Im Erdgeschoss des Rathausgebäudes war außerdem bis 1958 der Geräteraum der freiwilligen Feuerwehr untergebracht.
Anschließend wurde in diesem Raum bis 1982 die Milchsammelstelle eingerichtet.
Nach längerem Leerstand konnte sich das ehemalige Rathaus von 1999 bis 2014 zum ersten Mal als Heimatmuseum präsentieren.
In den Jahren 2017 und 2018 erfolgte im Rahmen der „Dorferneuerung“ eine grundlegende Sanierung.
Seit April 2019 ist nunmehr das neugestaltete Heimatmuseum mit Trauecke wiedereröffnet.
Neudorf und sein Rathaus
– Eine Erfolgsgeschichte –
Zu Beginn ein kurzer Rückblick auf die eigenständige Geschichte der Gemeinde Neudorf. Sie war bis zur Gebietsreform selbstständig und ist seit 1971, dem freiwilligen Beitritt im Rahmen der Gebietsreform, ein Stadtteil von Wächtersbach.
Abb. 1: Blick auf Neudorf, Foto: 2015 Sammlung 650 Jahre.
In früheren Zeiten hatte Neudorf (ebenso wie Aufenau und Kinzighausen) kaum eine Beziehung zu Wächtersbach, lange Zeit war dies sogar „Ausland“. Es gab keine direkte Verkehrsverbindung nach Wächtersbach. Neudorf war verkehrstechnisch nur an Aufenau (über Kinzighausen), Weilers und Hesseldorf angebunden.
So gab es lange Zeit an der alten Straße nach Hesseldorf – vorbei am heutigen Sportplatz der SG HWN (Sportgemeinschaft Hesseldorf, Weilers Neudorf) – an der alten Steinbrücke über die Bracht, sogar eine Zollstation!
Abb. 2: Topographische Karte aus dem Jahr 1853, Foto Sammlung HGV
Doch der Reihe nach:
Aus den Gründungsjahren von Neudorf sind keine Aufzeichnungen bekannt. Benno Stuhl der Rektor und Historiker aus Aufenau vermutete, daß Neudorf (als „Nawendorf“ = das neue Dorf) von Aufenauer Bürgern gegründet wurde.
Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte im Jahr 1365 als Friedrich Herr zu Lißberg das „reichsunmittelbare“ Territorium Aufenau, Neudorf sowie Hayn by Wechtersbach als Mannlehen an die Forstmeister von Gelnhausen verleiht.
Abb. 3: Die ins heutige Deutsch übersetzte Version dieser Urkunde von G. Jahn
Damit beginnt deren über 400jährige Herrschaft über Aufenau, Kinzighausen und Neudorf!
Im Jahr 1781 muss Karl Franz Forstmeister von Gelnhausen (1747 – 1787) wegen übermäßiger Verschuldung das „forstmeistersche Ländchen“ an das Kurfürstentum Mainz verkaufen. Nach wechselnder Zugehörigkeit zum Dalbergstaat, zum Fürstentum Aschaffenburg und zum Großherzogtum Frankfurt fällt das Gebiet 1814 an Bayern.
Nach dem verlorenen Krieg von Bayern/Österreich gegen Preußen muss u.a. das Amt Bad Orb (mit Aufenau, Kinzighausen und Neudorf) 1866 an Preußen abgetreten werden. Es bleibt bis zum Ende des 1. Weltkrieges preußische Provinz „Hessen – Nassau“. Der damalige Kreis Gelnhausen ging 1974 in den Main-Kinzig-Kreis über.
Der Beginn der Neudorfer Gemeindeselbstverwaltung liegt noch im Dunkel der Geschichte. 1840 in der Zeit seiner Zugehörigkeit zu Bayern (1814 – 1866) wurde das Rathaus in Neudorf (heute: an der Ecke Aufenauer Straße/ Am Rosengarten genannt „Dalles“) mit einem Glockenturm errichtet.
Abb. 4: Das Foto stellt einen Ausschnitt einer Ansichtskarte um 1900 dar, Foto Sammlung 650 Jahre
Es war zumindest teilweise, wie früher auch andere Häuser in Neudorf, im Bereich des Obergeschosses mit Holzschindeln verkleidet.
Hier hielt der Bürgermeister seine Sprechstunden ab, bei Bedarf tagte der Gemeinderat und für die Bürger wurde es auch als Wahllokal genutzt.
Abb. 5: Das amtliche Schild am ehemaligen Rathaus, Foto Sammlung 650 Jahre
Abb. 6: Der amtliche Stempel von 1915, Foto Sammlung 650 Jahre
Die Nutzung als Rathaus endete mit dem Umzug der Amtsstube des Bürgermeisters in das 1969 neu errichtete Dorfgemeinschaftshaus.
Abb. 7: Landrat Hans Rüger anlässlich der Einweihung des DGH am 19.07.1969. Foto: E. Ottmann
Die Einwohnerzahl hat sich im Laufe der Jahre von 270 in 1938, über 414 in 1949 auf heute rd. 800 stark verändert. In den Zeiten, als es in Neudorf noch keine Sirene gab (eingebaut 1961), hatte die Glocke im Rathausturm sicherlich die Aufgabe bei Feuer, als auch bei allgemeiner Gefahr, zu läuten.
Vor dem Bau der Kirche im Jahr 1962 diente sie außerdem in Sterbefällen, bei der Überführung eines Leichnams von zu Hause auf den Friedhof, als Totenglöckchen.
Abb. 8 + 9: Die Glocke wurde 1872 in Windecken gegossen. Fotos: Fam. Huber und F. Schneider
Im Untergeschoss beherbergte das Rathaus bis 1958 den Feuerwehrgeräteraum.
Abb. 10: Das Foto zeigt die Handdruckspritze aus dem Jahr 1877. Foto: F. Schneider
Anschließend befand sich bis 1982 in diesem Raum die sogenannte „Milchsammelstelle“, bei der die vielen Klein- und Nebenerwerbsbauern ihre Milch abgeben konnten.
Von 1867 bis 1955 wurde die Milch von der in Aufenau ansässigen Käserei und danach von anderen Molkereien zur Weiterverarbeitung abgeholt. Der „Aufenauer Camembert“ war ein Vollfettkäse und war zu seiner Zeit eine Neuheit in Deutschland.
Die Gemeinde Neudorf beschäftigte einen eigenen Gemeindediener. Der letzte Gemeindediener, Herr Heinrich Schlössler, wurde anlässlich der Eingemeindung in den Dienst der Stadt Wächtersbach übernommen und ging 1974 nach fast 40 Jahren in den Ruhestand.
Nach einem längeren Leerstand begann Wilhelm Werth 1996 damit das nunmehr alte und ungenutzte Rathaus mit Unterstützung der Stadt Wächterbach wiederherzurichten.
Ihm ist es zu verdanken, daß das Gebäude „überlebt“ hat!
Abb. 11: Wilhelm Werth 1998 bei der Arbeit Foto: Sammlung 650 Jahr Feier
Am 05.September 1999 konnte dann sein Heimatmuseum eröffnet werden.
Abb. 12: Eröffnungsfeier unter großer Beteiligung der Neudorfer Bevölkerung, Foto: Sammlung 650 Jahr Feier
Im Rahmen dieser Feier erhält Wilhelm Werth den Kulturpreis der Stadt Wächtersbach.
Abb. 13: Ehrung durch Bürgermeister Rainer Krätschmer, Sammlung HGV
Im Zusammenhang mit der 650 Jahrfeier, im Jahre 2015, wurde von Herrn Hans Rieser in aufwendiger und liebevoller Arbeit ein maßstabgerechtes Modell des Rathauses angefertigt.
Abb. 14 – 16: zeigt das Modell im Baufortschritt, Fotos: F. Schneider
Es steht heute als Blickfang im Eingangsbereich des Dorfgemeinschaftshauses.
2017 / 2018 konnte das Gebäude -inzwischen leider stark beschädigt- im Rahmen der Dorferneuerung (2010 – 2018) saniert werden. Doch zuerst räumten ehrenamtliche Helfer das Gebäude aus. Die Ausstellungsstücke konnten in benachbarten Scheunen und auf dem Dachboden der Freiwilligen Feuerwehr in Neudorf gelagert werden. Dann erfolgte die Freilegung schadhafter Stellen, besonders im Bereich der Holzbalkendecke zwischen Erd- und Obergeschoss. Zur Sicherheit wurden an besonders gefährdeten Stellen zusätzliche Stützen eingezogen.
Mehrere Anhänger mit Müll waren zu entsorgen. Mit der Aufstellung des Gerüstes konnten die Gefache des Fachwerks von außen ausgekratzt und die Balken abgeschliffen werden.
Abb. 17: Jürgen Werth bei der Arbeit, Foto: F. Schneider
Durch Firmen wurde das beschädigte Gebälk aufwändig ausgewechselt und die Deckenbalken erneuert. Das Dach musste neu gedeckt, die Treppe zum Dachgeschoss und die Fenster, sowie das Doppeltor mussten ebenfalls erneuert werden.
Nachdem das Dach neu gedeckt, der Schornstein in diesem Bereich von der Firma entfernt war, waren wieder die ehrenamtlichen Helfer im Einsatz. Der Abbruch des Schornsteines im Dach- und Obergeschoss konnte fortgesetzt und eine Zwischenwand entfernt werden. Im Erdgeschoss wurde ein Durchgang zwischen der Milchkammer und dem Eingangsbereich geschaffen, sowie die Hausanschlüsse von Wasser und Strom neu installiert.
Abb. 18 + 19: Die Baustelle von außen, Fotos: F. Schneider
Der Innenausbau erfolgte im Wesentlichen in Eigenleistung. Hierzu zählte der Ausbau des Dachgeschosses, die Verlegung des Fußbodens im Obergeschoss, die elektrische Hausverkabelung, der Innenputz, die Überarbeitung der Eingangstür und der Einbau eines WC. Insgesamt wurden mehr als 3000 Stunden von engagierten Bürgern aus Neudorf für die Sanierung geleistet.
Abb. 20 – 23: zeigt einige Stationen des Innenausbaues,
Fotos: Familie Huber und F. Schneider
Eine ortsansässige Firma wurde zum Abschluss der Sanierung damit beauftragt das Gebälk zu streichen und die Gefache von außen zu verputzten.
Nach Abschluss der Arbeiten musste „nur noch“ das neue Heimatmuseum mit Trauzimmer und Küche eingerichtet werden.
Abb. 24: Kücheneinrichtung in früheren Zeiten, Foto F. Schneider
Im April 2019 konnte dann das neugestaltete Heimatmuseum, unter reger Beteiligung der Bürgerschaft und der ortsansässigen Vereine, wiedereröffnet werden. Es erfreut sich seither einer wachsenden Beachtung.
Durch die gleichzeitige Neugestaltung des Umfeldes ist im Rahmen der Dorferneuerung ein Kleinod im Herzen von Neudorf entstanden!
Abb. 25: Bürger bei der Eröffnungsfeier, Foto HGV Archiv
Abb. 26: Das sanierte „Alte Rathaus“ erstrahlt in neuem Glanz, Foto F. Schneider
Verfasser: Frank Schneider, Neudorf
Quellennachweis:
- Archiv der Stadt Wächtersbach
- Archiv des Heimat- und Geschichtsvereins Wächtersbach e.V.
- Sammlung zur 650 Jahr Feier
- Gelnhäuser Heimat- Jahrbuch 1993
Die Glocke im Turm des alten Rathauses
In den Zeiten, als es in Neudorf noch keine Sirene gab (eingebaut 1961), hatte die Glocke im Rathausturm sicherlich die Aufgabe bei Feuer, als auch bei allgemeiner Gefahr zu läuten.
Vor dem Bau der Kirche im Jahr 1962 diente sie außerdem in Sterbefällen, bei der Überführung eines Leichnams von zu Hause auf den Friedhof, als Totenglöckchen.
Die Glocke wurde 1872 in Windecken gegossen.
So zum Beispiel auch bei einem tragischen Unfall 1952. Abschrift aus Aufzeichnungen von Herrn Lehrer Jäckel:
„Am 5. Juni verunglückte die Schülerin Gisela Rinkenberger. Sie fuhr mit ihrem Fahrrad, am Übergang vor dem Schwimmbad, gegen die Maschine der Kleinbahn. Schwerverletzt wurde sie in das Krankenhaus Bad Orb eingeliefert. Am 6. Juni gegen Mittag erlag sie ihren Verletzungen. Am Sonntag nahmen die Schulkameraden für immer Abschied von ihrer Mitschülerin. Unter einem Berg von Blumen fand das junge Leben ein allzu frühes Ende.“
Das Foto zeigt die Handdruckspritze aus dem Jahr 1877.
gezeichnet: Herr Erich Ottmann
Eröffnung des ersten Heimatmuseums von Neudorf
– Bilder aus dem Fundus Wilhelm Werth