Landwirtschaft

… damals bis 1969

… ab 1970 bis heute

Milch & Käse

Früher war die Milchwirtschaft in unserer Gegend überwiegend Frauensache.

Gemolken wurde ausschließlich mit der Hand wofür es von großem Vorteil war, wenn die Zitzen schön groß waren. Es war eine körperlich sehr anstrengende Arbeit, mit dem Melkschemel in gebückter Haltung unter der Kuh, im Sommer Fliegen überall und sehr warme und feuchte Ställe. Die Kälber wurden hinter den Kühen mit Ketten an der Wand angebunden.

Sofort, wenn die Milch gemolken und noch warm war, wurde sie „geseit“, d.h. es wurde ein feingewebtes Tuch in das Sieb eingelegt und die Milch noch im Stall in eine Kanne gegossen.

Danach wurde die Milch zentrifugiert und so der Rahm von der Milch getrennt, es entstand die Magermilch bzw. Buttermilch.
Der Rahm wurde zu Butter weiterverarbeitet.

Die entrahmte Milch wurde im Haushalt verbraucht, oder für Sauermilch oder  Dickmilch aufgestellt. Hierzu wurden z.B. die Töpfe aus Wittgenborn verwendet. Aus der erhitzten Sauermilch konnte „Matte“, Kochkäse, oder auch Handkäse hergestellt werden.
Für die Bauersfrau ergaben der Milch-, Eier-, Butter- und Käseverkauf das Haushaltsgeld.

Ein großer Fortschritt war es, als die Zentrifugen zur Verfügung standen.

Da die Kühe im Sommer bei den meisten Bauern schwere Feldarbeit als Zugtiere zu leisten hatten, lag  um 1800 die Jahresleistung einer Kuh bei ca. 1000 Liter Milch. Um 1900 lag die Leistung schon bei 2000 Liter Milch. Heute geben unsere Kühe in Neudorf zwischen 6000 und 12.000 Liter pro Jahr!
1867 entstand in Aufenau – lange vor den anderen Molkereien – eine Käserei, die für Ihren Camembert berühmt wurde. Die Milch wurde aus den umliegenden Ortschaften geliefert.  So sammelte von Aufenau  Herr Ludwig Rasch, von Weilers Herr Protsmann und der Opa von Heinz Schlössler die Milch in Weilers und Neudorf ein und fuhr sie mit dem Pferdefuhrwerk nach Aufenau. Die Käserei bestand bis 1955.

Der Aufenauer Käse war ein Vollfettkäse, er war zu seiner Zeit eine Neuheit in Deutschland.

Als 1867 das Eisenbahnteilstück Hanau – Wächtersbach eröffnet wurde, verkehrte jeden Abend ein „Milchzug“ von Wächtersbach nach Hanau, Offenbach und Frankfurt.

In den Städten war es üblich, daß die Hausfrauen morgens den Milchtopf vor die Haustür stellten, der Milchmann goss dann die bestellte Menge hinein. In unserer Gegend gab es etliche Kleinmolkereien. So wurde z. B. 1899 in Unterreichenbach eine Molkerei gegründet, etwas später 1905/06 in Fischborn, 1937 erfolgte der Anschluß an Unterreichenbach.

Es wurde Butter, Quark, Sahne, Joghurt und mit einem Trockenturm Milchpulver hergestellt.

Seit 1958 war im alten Rathaus die Milchannahmestelle für Neudorf untergebracht. Die Bauern kamen mit Ihren 20 bis 30 Liter fassenden Kannen,  und gossen die Milch, nachdem sie gemessen worden war in einen gekühlten Milchtank, der dann von einem Sammelwagen abgeholt wurde. Bei der Abgabe wurde die Milch in Liter gemessen, abgerechnet wurde jedoch nach Gewicht (Ein Liter =1,02Kg!). Die Milchannahmestelle bestand bis 1982. In den Talgemeinden Innenstadt, Aufenau, Hesseldorf, Weilers und Neudorf bestand die „Liefergemeinschaft“ aus 42 Milchlieferanten.

1968 schloß sich Unterreichenbach der Milchzentrale Hanau und 1988  der Molkerei Fulda- Lauterbach an.  Vor dem 1. Weltkrieg gab es auch in Spielberg eine kleine Molkerei, in der jedoch nur gebuttert wurde.

Dass Milch auch als Zahlungsmittel genutzt wurde, berichtete Frau Krämer aus Weilers.

Sie wohnte  auf dem Weiherhof und lief jeden Tag zum Bahnhof nach Wächtersbach um in die Lehre nach Frankfurt zu fahren. Als „Lehrgeld“ hatte sie immer eine volle Milchkanne dabei.

Die Molkerei Osthafen, kurz „MOHA“ genannt, wurde 1919 in Frankfurt gegründet und spielte lange Zeit eine große Rolle in unserem Gebiet. 1943 bis 1979 bestand ein Zweigbetrieb der MOHA in Gelnhausen. 1989 erfolgte der Zusammenschluss mit der Südmilch Stuttgart.

Die Milchwirtschaft hat sich seit 1890 in vielen Entwicklungsstufen verändert.

Hatten früher viele Haushalte in Neudorf 2 – 6 Kühe im Bestand, so hat gibt es heute nur noch zwei Milchviehbetriebe mit jeweils rund 100-180 Milchkühen und bis zu 300 Rindern im Gesamtbestand. Die Tiere sind nicht mehr angebunden, sie können sich im Stall auf Spalten frei bewegen und gehen von selbst zum Melkroboter oder werden im Melkstand gemolken.

Durch die Lebensmittelgesetze musste die Milch pasteurisiert werden, ständige Kontrollen wurden eingeführt und Kühltanks wurden erforderlich.

Seit 1995 gibt es wieder eine Molkerei im Kreis. Zu dieser Zeit erhielt der Weidenhof die Zulassung als Molkerei und gilt als Vorzugsmilchbetrieb.

Der Tankwagen kommt, saugt bei den größeren Betrieben die Milch ab und befördert sie über weite Strecken nach Hünfeld, Hungen, oder gar nach Kaiserslautern.

Lange Jahre bestand die „Milchwirtschaftliche Lehranstalt“ in Gelnhausen als Fachschule Verwaltung und überbetriebliche Ausbildungsstätte.

Hier wurden für die hessischen Molkereibetriebe  in Lehrgängen die Fachleute für die verschiedenen Zweige der Milchverarbeitung ausgebildet.

Bei Meisterlehrgängen kamen die Teilnehmer aus ganz Deutschland.

Heute gibt es in Deutschland nur noch 3 Molkereifachschulen u.z. in Wangen, Oranienburg und Kempten.

Auszug und Zusammenfassung aus dem HJB 1993, nach einem Artikel von Hanna König. Aktualisiert im April 2019 von Frank Schneider.